Die Abhängigkeit der Teams von Sponsorengeldern

Dieses Thema ist jede Saison wieder aktuell, da es in der Regel kaum Teams gibt, welche ihre Teamnamen länger als 2 Jahre beibehalten. Radsport ist teuer: ein Manager muss zuerst Einmal ca. 16 Millionen Euro auftreiben, um eine ProTeam Lizenz zu erhalten und in diesem Umfeld wettbewerbsfähig zu sein. Sponsoren verpflichten sich vertraglich oft nur für ein paar Jahre, viele machen ihre Zahlungen und Verpflichtungen von Erfolgen abhängig. Wenn sich dann so ein Super-GAU wie der Fuentes-Skandal anbahnt, kündigen einige Sponsoren aus Angst vor einem Imageschaden ihre Veträge oder verlängern sie nicht. So geschehen beim Team T-Mobile, welches sich später fast von Grund auf umgekrempelt zu HTC-Columbia transformierte oder Team Discovery Channel, aus dessen organisatorischen Grundgerüst um Lance Armstrong und Johann Bruyneel zwei Jahre später Team Radioshack entstand.

Team Leopard Trek existierte nur eine Saison – Foto: Cindy Trossaert (Flickr) CC-BY-NC

Ungewöhnlich sind dieses Jahr die zahlreichen Fusionen von großen Teams, welche das gesamte Peloton neu sortieren und vor einige Probleme stellt. Eine Fusion führt dazu, dass es zu viele Fahrer, Masseure, Techniker und die doppelte Anzahl an Mitarbeiter gibt, die sich teilweise nach neuen Jobs umsehen müssen. Zum Beispiel wurde der zwei-Jahres-Vertrag von Fabian Wegmann durch die Fusion seines Teams mit Radioshack mehr oder weniger nichtig, sodass er relativ spät in der Saison ohne Team da stand, jedoch letzten Endes bei Garmin-Cervélo unterkam. Verschiedene Fahrer mit den selben Ambitionen (z.B. Sprinter mit Ziel, bei der Tour de France zu starten und Etappen zu gewinnen) müssen sich innerhalb eines fusionierten Teams neu arrangieren und beweisen. Sie werden entweder zu Anfahrern oder Domestiken degradiert oder starten bei „beschissenen kleinen Rennen“ – wie Mark Cavendish einst über Sprinter- und HTC-Columbia Teamkollege Andre Greipel sagte.

Aus Omega-Pharma Lotto und Team Quickstep wurde Omega-Pharma Quickstep UND Lotto-Belisol, aus Team Radioshack und Leopard-Trek entstand Radioshack-Nissan. Verwirrt? Wir auch.

Viele Teams haben das Glück, sich auf traditionsbewusste, langjährige Sponsoren verlassen zu können. Zum Beispiel unterstützt das Kreditinstitut Rabobank seit 1996 das gleichnamige niederländische Radsportteam (ausserdem die dazugehörige Frauenmannschaft sowie einem Cross-Team), welches hinter den Kulissen seit jeher aus den selben Leuten besteht. Dann gibt es natürlich noch reiche Mäzen wie der Luxemburger Flavio Becca, welcher im Jahr 2010 mit seiner Firma Leopard das Team Leopard-Trek auf die Beine stellte. Allerdings auch nur, nachdem er keinen anderen Geldgeber für sein Traumteam um die Luxemburger Brüder Andy und Fränk Schleck finden konnte.

Das Ende von HTC-Highroad

Mark Renshaw aka Prince Harry wechselte von HTC zu Rabobank Foto: anonymousview (Flickr) CC-BY-NC-SA

Heutzutage ist es, gerade in den Ländern ohne glorreiche Radsportvergangenheit, sehr schwer neue Sponsoren zu finden, wenn der frühere Geldgeber gerade abgesprungen ist. In der Saison 2011 wurde bekannt, dass das Team HTC-Highroad sich aus Mangel an neuen Finanziers auflösen muss. General Manager Bob Stapleton, welcher das Team nach seiner Übernahme von T-Mobile komplett umstrukturierte, erklärte das Scheitern der Verhandlungen damit, dass das Dauerthema Doping jede Verhandlung erschwert und den Ruf des Radsports nachhaltig beschädigt hatte. In seinen Jahren als Team Manager gab es keinen Dopingfall im Team, die Nachwehen von Team T-Mobile und dem Fall Contador bekam jedoch jedes ProTeam zu spüren.

HTC hatte das kleinste Budget aller 18 ProTeams, der Teambus hatte als einziger keine Dusche. Trotzdem gelang es Bob Stapleton und dem Team Manager Rolf Aldag eines der erfolgreichen Teams der letzten Jahre aufzubauen, in dem sich die Fahrer wohl fühlten und junge Talente in diesem professionellen Umfeld die Chance bekamen, zu wachsen. An mangelndem Erfolg oder Talent kann das Scheitern der Verhandlungen nicht gelegen haben; HTC war an Siegen gemessen jahrelang das erfolgreichste Team, Tony Martin und Mark Cavendish wurden im selben Jahr Weltmeister – der eine im Zeitfahren, der Andere auf der Straße. Dort lag aber auch das Problem – die Gehaltsforderungen und die Ansprüche stiegen. HTC wollte weiteres Geld nur dann zusagen, wenn Cavendish bleibt; dieser zog die Verhandlungen in die Länge und wechselte letztendlich zurück in seine Heimat zum britischen Team Sky.

Wege aus der Abhängigkeit von Sponsoren

Wo ist also die Lösung des Problems? Jonathan Vaughters, Team Manager von Garmin-Cervélo und Vorsitzender der Teamvereinigung AIGP (vergleichbar mit einer Gewerkschaft für Teams, wenn es darum geht mit der UCI und der ASO zu verhandeln), hat einige Lösungsansätze zur Sprache gebracht: die Teams müssen sich unabhängig von Sponsoren und Siegesprämien finanzieren können, zum Beispiel, indem sie an den Erlösen aus TV-Übertragungen der zahlreichen Rennen beteiligt werden, so wie es z.B. im Fußball und in einigen weiteren Sportarten der Fall ist. Ein schwieriges Vorhaben, da die ASO als Veranstalter der Tour de France 60% ihres Einkommens aus der Verteilung der Übertragungsrechte erhält.

Zum Anderen vertritt Vaughters mit seinem Team eine Strategie der absoluten Transparenz. Die Profis in seinem Team verpflichten sich zu regelmässigen Tests, welche öffentlich einsehbar sind. Dies geschah schon bevor die UCI das Führen eines sog. „Blutpasses“ verordnet hatte, um Unregelmässigkeiten in den Blutwerten zu erkennen und auf langer Sicht nachzuweisen. Vaughters behauptet, dass ihm diese Transparenz schneller ermöglichte, Sponsoren zu finden. Seine Strategie überzeugte nach eigener Aussage seine Geldgeber: ein sauberes Team, welches auf Innovationen, Technik und Taktik baut, anstatt auf Doping. Da die Leute die Geschichte vom sauberen Team nur eine Zeit lang interessant finden, mussten sich die sauberen Fahrer natürlich auch in Rennen durchsetzen. Als der weniger bekannte Garmin-Profi Johan Vansummeren im Jahr 2011 Paris-Roubaix gewann, fuhr er in einem extra für dieses Rennen entwickelten Skinsuit, in dem er nicht nur bequem fahren konnte – der Suit half ihm dank der besseren Aerodynamik dabei, einiges an Kraft auf den legendären Kopfsteinpflaster-Passagen einzusparen. Und obwohl er die letzten 10 Kilometer mit einem Platten fuhr, gewann er Paris-Roubaix mit 19 Sekunden vor dem Titelverteidiger Fabian Cancellara.

 

Weiterführende Links:

Die Probleme einer Fusion am Beispiel von Radioshack-Nissan

Wikipedia Artikel zu HTC Highroad, mit Übersicht darüber, wer wohin gewechselt ist (unter „Mannschaft“)

YouTube Clip: Jonathan Vaughters über das Teilen der Erlöse aus den Fernsehübertragungen (englisch)

 

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