Am Ende schienen selbst die Eurosport Kommentatoren überrascht, dass das Rennen doch noch spannend wurde. Lüttich – Bastogne – Lüttich zog sich endlos hin, die Berge taten ihr Übriges. Wer allerdings die Fahrer gerne leiden sieht, kam auf seine Kosten, wer Stürze sehen wollte, hätte sich eher noch mal Wiederholungen von der 9. Etappe der Tour de France 2011 ansehen sollen, denn trotz der nassen Straßen lag nur einer am Boden, und das war ausgerechnet Simon Geschke in der Ausreissergruppe.
Der Berliner von Team Argos-Shimano rutschte in einer Kurve aus und holte sich eine Platzwunde über dem rechten Auge. Zuerst saß er etwas benommen und blutend am Straßenrand, stieg dann jedoch wieder auf, winkte in die Kamera und musste sich vom Hauptfeld wieder einholen lassen.
Schlimmer erging es Igor Anton, dem Fahrer von Euskatel war es nicht einmal vergönnt, das Rennen zu beginnen. Er brach sich das Schlüsselbein in der neutralen Zone, d.h. noch bevor der Rennleiter die Fahne schwang und das Rennen offiziell losging.
Das älteste Rennen auf dem Kalender und auch offiziell der letzte Frühjahrsklassiker in dieser Saison; Liége – Bastogne – Liége, wie es im wallonischen Teil Belgiens heisst, ist zudem eins der härtesten Klassiker des Jahres. 22 Tage nach der Flandern Rundfahrt und etlichen Kilometern in den Beinen, fiel es einigen Fahrern nicht leicht, bei jeder Attacke mitzuhalten.
Das Wetter wechselte scheinbar alle 10 Minuten von sonnig zu regnerisch und zurück. Viele fuhren kurzärmelig, viele bereuten das wahrscheinlich spätestens auf halber Strecke in Bastogne. Der Vorsprung der Ausreisser fiel von 12 auf 7 Minuten, das Durchschnittstempo sank auf 38 km/h, die Stimmung sicher auch.
Die entscheidende Gruppe
Auf den letzten 30 Kilometern macht der 23-jährige BMC Fahrer Tejay van Garderen Tempo für seinen Teamkollegen und Vorjahressieger Phillip Gilbert. Als es in Richtung La Redoute geht, hatten die Fahrer schon über 200 Kilomezter und 6 Stunden auf dem Rad verbracht und das Peloton dünnte sichtlich aus. Wie ein langer Faden zogen die einzelnen Gruppen über die engen, wallonischen Straßen. Van Garderen formte eine entscheidene, knapp 60-köpfige Gruppe; wer nicht dabei war (unter Anderem Frank Schleck und Alejandro Valverde), hatte wenig Chancen, später mitzureden.
Der entscheidende Move

Pierre Rolland attackiert. Foto: Stefano Sirotti
Am Falkenberg, dem Côte de la Roche aux Faucons, entschied sich der weitere Rennverlauf. Pierre Rolland attackierte und Vincenzo Nibali vom Team Liquigas begann als erster, ihn zu verfolgen. Als die Gruppe den steilsten Teil erreicht, bricht sie auseinander. Nibali, Vanendert, Gilbert und Rolland erreichen als erste die Platform, Nibali stürzt sich die Straßen hinunter, (eine seiner Stärken) und schafft es, eine kleine Lücke hinter ihm zu erzwingen. Der Rest kann sich nicht darüber einigen, ob und wer folgen soll, die Kräfte offenbar am Ende; ausserdem hat kaum jemand genügend Helfer dabei.
Astana ist das einzige Team mit drei Leuten in der Hauptgruppe, jedoch haben alle drei bekanntermaßen wenig Chancen auf den Sieg, wenn es unter Anderem gegen Phillipe Gilbert zum Sprintfinish kommt. Joaquim Rodriguez, der Sieger vom Fléche Wallonne und Maxim Iglinski von Astana machen das einzig Sinnvolle: sie attackieren alleine, um Nibali mit mittlerweile 40 Sekunden Vorsprung einzuholen und auf einen zweiten oder dritten Platz zu hoffen.
Auf den letzten 8 Kilometern und am letzten Anstieg leidet Nibali sichtlich. Währenddessen hängt Iglinski Rodriguez ab wie einen Anfänger und fährt alleine um, wie er denkt, den zweiten Platz. Die offizielle Lücke zu Nibali beträgt 45 Sekunden, der Sieger steht fest. Dies war allerdings ein Trugschluss, die offizielle Zeit falsch: Nibali hat mehr wichtige Sekunden verloren, als zuerst gedacht: der Abstand zu Iglinski beträgt nur noch 10 Sekunden, dieser kann das grüne Trikot vom Italiener vor ihm schon fast sehen.
Der entscheidende Kilometer
Jetzt wird es bitter: kurz vor der 1-Kilometer-Marke holt der Kasache Vincenzo Nibali ein, den Sieger, wie alle dachten, und fährt mit großem Abstand vor ihm ihns Ziel. 20 Sekunden danach kommt ein sichtlich angeschlagener Nibali ins Ziel. Dritter im Gruppensprint wird Iglinski’s Teamkollege und Sieger vom Amstel Gold Race, Enrico Gasparotto.
Auf Twitter wurde im Nachhinein rumgeflachst: wahrscheinlich hatte Nibali zu viele Schuhe gegessen.
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