Rückblick: Flandern Rundfahrt 2012

Und das war’s schon wieder. Die Flandern Rundfahrt 2012 ist Geschichte, Tom Boonen fuhr als Erster über die Ziellinie, das vorweg. Was dazwischen geschah: hier ein „kurzer“ Recap.

Direkt nach dem Start attackierten die ersten Fahrer und schlossen sich zu 14 Ausreißern zusammen. Um 11:30 Uhr konnten sie bereits einen Vorsprung von 4 Minuten auf das Hauptfeld herausfahren. In der Gruppe befanden sich unter Anderem Tyler Farrar (Garmin), Pablo Lastras (Movistar) und Maarten Tjallingii von Rabobank, ein nicht zu unterschätzendes Aufgebot. Mehr als 5 Minuten Vorsprung war jedoch während des gesamten Rennverlaufes nicht drin, die Hauptgruppe war einfach zu schnell.

Eine Stunde später, mit einhundert gefahrenen, flachen und relativ kopsteinpflasterfreien Kilometern, ging es auf den ersten der 16 Hellige, dem Taaienberg. Eine relativ einfache Aufwärmübung, in den nächsten 50 Kilometern zeigt das Streckenprofil eine Staffelung von leichteren, nicht zu steilen Anstiegen. Das schlimmste an diesem Rennen sind jedoch nicht nur die steilen Berge, sondern wie dicht hintereinander sie zu befahren sind. Ab 170 Kilometern in den Beinen gab es für die Fahrer kaum eine Pause; durchschnittlich ein Anstieg pro 10 gefahrenen Kilometern standen auf dem Plan. Die Fahrer kämpfen währenddessen jedes Mal darum, bei den Anstiegen weit vorne mitzufahren, um an den steilen Wänden in ihrem Tempo wegzukommen, Stürzen aus dem Weg zu gehen und in den hinteren Staus durch die engen Straßen nicht aufgehalten zu werden. Das selbe Problem haben auch die Teamwagen: der Jaguar von Team Sky krachte an einem Anstieg in ein vor ihm fahrendes Auto und gab qualmend auf.

Danach häufen sich die Platten, gerade die 2,2 Kilometer lange „Paddestraat“ ist ein Schlauchkiller. Es trifft Geheimfavoriten wie Juan Antonio Flecha, Matthew Goss und Peter Sagan, die aber relativ schnell wieder den Anschluss finden. Gerade Sagan vom Team Liquigas macht einen verbissenen Eindruck, er will das Ding auf dem Podium beenden, hat bislang auch die Beine dazu.

Kleiner Attacken werden immer wieder eingeholt, gerade Matthew Hayman von Team Sky ist des Öfteren vorne zu sehen. Um 14:15 Uhr fahren die Ausreißer nur noch 2:40 Minuten vor dem Hauptfeld, die Hellinge tun ihr Übriges. Um 14:23 Uhr trifft die Gruppe auf den Kwaremont, welchen sie, genau so wie den Paterberg, danach noch insgesamt zwei Mal wiedersehen. Das Aussortieren und auch das richtige Rennen beginnt ab diesem Punkt. Der Rückstand des Hauptfeldes auf die Ausreißer beträgt danach nur noch 1:30 – die Fahrer vorne haben in knapp 10 Minuten über Minute Vorsprung eingebüsst, ein Zeichen dafür dass die Kraft nachlässt.

Während das Team BMC Tempo macht und ihre teuer eingekauften, aber gesundheitlich angeschlagenen, Stars Phillipe Gilbert und Thor Hushovd sich den Fernsehkameras präsentieren, sind die beiden vorher hochgehypten Topfavoriten nie außer Sichtweite: Tom Boonen gewann das Rennen bereits zwei Mal und zeigte in der bisherigen Saison mit den Siegen bei E3 Harelbeke und Gent-Wevelgem eine perfekte Form, Fabian Cancellara gewann hier vor zwei Jahren, wurde letztes Jahr knapp Zweiter und ist Allgemein ein, wenn nicht DER ewige Favorit bei den Klassikern. Für viele besteht kein Zweifel, dass die Beiden den Sieg am Ende unter sich aus machen.

Die Hauptgruppe fährt beim 190sten Kilometer in die Verpflegungszone, die Helikopterkamera zeigt plötzlich das am Boden liegende Schweizer Meistertrikot: Fabian Cancellara stürzt, wie später berichtet wird, über eine Trinkflasche. Ein riesiger Pulk bildet sich sofort  als klar wird, dass er nicht aufstehen kann. Ein dreifacher Schlüsselbeinbruch beendet seine Klassikersaison.

Der nächste Crash folgt nur eine halbe Stunde später: auf engen Straßen und einem nervösen Peloton kollidiert Sebastien Langeveld, welcher auf dem Gehweg fährt, mit dem Bein eines ausweichenden Zuschauers. Sein Vorderreifen löst sich, er fliegt bei knapp 50km/h über den Lenker und stürzt hart auf seine rechte Schulter. Schlüsselbeinbruch.

Der Kwaremont wird das zweite Mal befahren, die Ausreißer eingeholt. Während Sep Vanmarcke von Team Garmin-Barracuda die Gruppe anführt, lauern hinter ihm Allesandro Ballan, Tom Boonen und Filippe „Pippo“ Pozzato. Letzterer erholte sich erst vor kurzen von sich links und rechts abwechselnden Schlüsselbeinfrakturen (öfter mal ein Thema) und einer miesen letztjährigen Saison bei Katuscha. Mit seinem Wechsel zum Continental Team Farnese-Vini ist er wieder des Öfteren im Gespräch und scheint seiner alten Favoritenrolle bei Klassikern wieder gerecht zu werden.

Auf dem Paterberg kommt es zu einem kleinen, aber entscheidenden Crash: Johan Van Summeren fährt in der ersten engen Kurve zum Anstieg in die Bande und reisst mehrere Fahrer um, darunter Peter Sagan. Ballan, Boonen und Pippo sind nicht involviert, Sagan holt mit einem Höllenritt auf den Paterberg wieder auf. Das Feld spaltet sich; mit 30 noch zu fahrenden Kilometern wird sich der Gewinner aus einer Gruppe aus 10 Fahrern ergeben, auch wenn das Hauptfeld einige Male gefährlich nahe herankommt.

Um 15:55 Uhr wird der Kwaremont als vorletzte Helling angesteuert, oben attackiert plötzlich Alessandro Ballan, Pozzato und Boonen ziehen sofort nach. Sie sind sich darüber bewusst, wie gefährlich der Weltmeister von 2008 so knapp vor dem Ziel werden kann.

Die letzten 17 Kilometer, der letzte Anstieg: als die drei geschlossen oben auf dem Paterberg ankommen, kann das Feld dahinter einpacken. Aufholversuche von Paolini und Sagan sind letztendlich Kraftverschwendung, sie werden schnell wieder eingesammelt. In den letzten 4 Kilometern beginnen die Führenden, mit einer Minute Vorsprung auf den Rest, damit sich untereinander zu taktieren. Wer greift als Erstes an und wann?

Ballan begann den entscheidenden Versuch und ist nun auch derjenige, welcher die beiden Anderen immer wieder dazu zwingt aus dem Sattel zu gehen. Wenn es zum Sprint kommt, und das ist sicher, ist  Tom Boonen klar der Stärkste. Das müssten Pippo und Ballan eigentlich wissen.

Wieder Ballan: bei der 300m Marke zieht er, zu früh, den Sprint an. Boonen holt auf, Pippo kommt nach und erreicht nur kurz hinter dem Belgier das Ziel.

Tom Boonen ist nun die Nummer Eins der Weltrangliste und lässt sich von den Flamen feiern, er hat zuhause, auch ohne die Muur, zum dritten Mal gewonnen.

Tom Boonen (rechts) und Team Omega-Pharma Quick-Step bei Friten met Majonaise nach dem Sieg bei der Flandern Rundfahrt 2012