Die UCI ProTeams der Saison 2012 im Überblick

Man kann ja gar nicht oft genug betonen, dass der Profi-Straßenradsport eine Mannschaftssportart ist, deshalb hier: die Mannschaften. Und zwar die achtzehn, die den UCI WorldTour Lizensierungs- bzw. Registrierungsvorgang für 2012 erfolgreich hinter sich gebracht haben, sich nun offiziell „UCI ProTeam“ nennen dürfen, also zur allerersten Liga gehören, und damit sowohl berechtigt als auch verpflichtet sind, an allen 28 WorldTour-Rennen der aktuellen Saison teilzunehmen. Es wird ein Fest!

Ag2r La Mondiale | Astana | BMC | Euskaltel-Euskadi | FDJ-BigMat | Garmin-Barracuda | GreenEdge | Katusha | Lampre-ISD | Liquigas-Cannondale | Lotto-Belisol | Movistar | OmegaPharma-Quickstep | Rabobank | RadioShack-Nissan | Sky | Saxo Bank | Vacansoleil-DCM

Ag2r La Mondiale (ALM)

Ag2r bei der Tour Down Under 2010 – Foto: cas_ks Flickr CC-BY-NC-ND

Land: Frankreich | Räder/Komponenten: Kuota/SRAM | offizielle Website: cyclisme.ag2rlamondiale.fr | Hauptsponsor: Französisches Versicherungsunternehmen

Ag2r (sprich: A, weiches G, deux, er) ist ein angenehm unauffälliges Team mit unserer Meinung nach dem schönsten Teamkit im Peloton. Sieben Monate hatte es gedauert, bis deren Fahrer Sébastien Hinault und Sylvain Georges deren Team aus einer langen, sieglosen Phase befreite: Hinault sprintete zum Sieg bei der 3. Etappe des Circuit de Lorraine und Sylvain Georges überraschte am selben Tag mit einem überzeugenden Solosieg über 48 Kilometer bei der 6. Etappe der Tour of California. Trotzdem ist die Zukunft des einzigen französischen Team mit UCI ProTeam Status ungewiss, vor allem weil die wichtigen Siegespunkte ausbleiben. Angeführt wird das Team von dem Iren Nicolas Roche, dem Sohn von Stephen Roche, welcher im Jahr 1987 die Giro, die Tour de France und den Weltmeistertitel im Straßenrennen gewann.

Astana Pro Team (AST)

Alexandre Vinokurov – Foto: Erwin Bolwidt Flickr CC-BY-NC-SA

Land: Kasachstan | Räder/Komponenten: Specialized/SRAM | offizielle Website: proteam-astana.com | Hauptsponsor: Konglomerat aus kasachischen Unternehmen

Entstanden aus dem Team Once und später Liberty Seguros, war das Team Astana bei der UCI von Anfang an aufgrund zahlreicher vorhergegangener Dopingfälle nicht sehr beliebt. Trotzdem schaffte es Alexandre Vinokurov das Team mit Hilfe von (ausgerechnet) Walter Godefroot und einigen kasachischen Wirtschaftsunternehmen, zu einem offiziellen ProTour Team zu formen.  Johan Bruyneel mag offensichtlich Herausforderungen, er nahm das Angebot, dem kasachisten Team als Manager beizutreten, gerne an. Zu Astana folgten ihm acht seiner Schützlinge vom zuvor aufgelösten Team Discovery Channel, darunter Alberto Contador und Levi Leipheimer. Contador gewann 2008 die Giro und die Vuelta – zur Tour wurde das Team trotzdem nicht eingeladen. Im Jahr 2009 stieß Lance Armstrong dazu, er trat von seinem Rücktritt zurück und hatte es auf Gesamtsiege abgesehen. Dass eine Mannschaft mit Alphatieren wie Vinokurov, Contador und Lance nicht gut gehen konnte, war keine große Überraschung. Nach weiteren ausbleibenden Gehaltszahlungen lag die Lösung in der Gründung eines neuen Teams nach Lances und Johan Bruyneel’s Wünschen: sie zogen mitsamt der Hälfte aller Fahrer zum neuen Team Radioshack. Alberto Contador wechselte mit drei weiteren Spaniern zu Saxo Bank und gewann dort die Giro 2011 (der Sieg wurde ihm Anfang dieses Jahres aberkannt). Was danach geschah, ist bekannt: Vino kündigte an, seine letzte Tour de France zu fahren, brach sich jedoch in der 9. Etappe derselben die Hüfte und nahm sein Vorhaben einen Tag später wieder zurück. Diesmal meint er es aber ernst, schließlich hat er hohe Ambitionen im kasachischen Parlament.

BMC Racing Team (BMC): Das „Real Madrid des Radsports“

Gilbert, Evans, Hushovd – Foto: BMC Racing Team

Land: USA | Räder/Komponenten: BMC/Shimano | offizielle Website: bmcracingteam.com | Hauptsponsor: Schweizer Fahrradhersteller

Der mittlerweile 69-jährige Eigentümer der BMC Radmarke, Andy Rihs, hatte schon einmal versucht, ein erfolgreiches Radteam aufzubauen. Erfolgreich war das Team Phonak zwar, um jedoch zu erfahren, was in diesem Team trotz der Erfolge schief lief, braucht nur einmal den Namen „Floyd Landis“ zu Googeln. Der neue Versuch unter dem Namen seiner Firma verspricht ihm mehr Glück zu bringen. Im Jahr 2011 erreichte das Team BMC ProTour Status und Cadel Evans gewann direkt die Tour de France. Zur neuen Saison kauften Rihs und sein Partner Jim Ochowitz das auf dem Papier stärkste Team der Liga zusammen: Thor Hushovd, Allessandro Ballan und Cadel Evans sind alle ehemalige Straßenweltmeister, ausserdem Teil des Teams sind Phillippe Gilbert, George Hincapie, Marcus Burghardt und Taylor Phinney. Die Erfolge stellten sich dieses Jahr noch nicht ein und die hohen Erwartungen wurden noch nicht erfüllt. Aber die Saison ist ja noch lange nicht vorbei.

Euskaltel – Euskadi (EUS): Die Basken

Sammy Sanchez – Foto: Luca Violetto Flickr CC-BY-SA

Land: Spanien | Räder/Komponenten: Orbea/Shimano | offizielle Website: fundacioneuskadi.com | Hauptsponsoren: Baskisches Telekommunikationsunternehmen / Fundación Ciclista de Euskadi (baskische Stiftung zur Förderung des regionalen Radsports)

Grundsätzlich sind die WorldTour-Teams ja keine Nationalteams, aber Euskaltel-Euskadi ist und war trotzdem schon immer vor allem eines: baskisch. Mit baskischen Fahrern und baskischen Sponsoren. „Euskadi“ ist übrigens das baskische Wort für… genau: „Baskenland“, und je näher man diesem kommt, umso öfter sieht man die traditionell orangefarbenen Euskaltel-Trikots an der Spitze des Pelotons leuchten. Da dieses Team zudem klassischerweise starke Bergfahrer in seinen Reihen hat, sind Attacken auf den Pyrenäen-Etappen der Tour de France Ehrensache und werden alljährlich von frenetisch feiernden und ebenso orangefarbenen Fanmassen am Straßenrand begleitet. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich die nationalbewusste Grundausrichtung des Teams aufrechterhalten lässt, wenn Ende 2012 der Sponsorenvertrag mit der Euskadi-Stiftung ausläuft, und man gegebenfalls gezwungen sein wird, auch mit überregionalen Sponsoren zu verhandeln.

FDJ – BigMat (FDJ)

Foto: go.goflo Flickr CC-BY-NC-ND

Land: Frankreich | Räder/Komponenten: Lapierre/Shimano | offizielle Website: equipecyclistefdj.fr | Hauptsponsoren: Staatliche Lottogesellschaft / Baumarktkette und Baustoffvertrieb; beide französisch

Das Team Française des Jeux, kurz FDJeux, später nur noch FDJ (sprich: Ef Di Schi) ist unter Kennern eher bekannt für ihr wunderschönes Trikotdesign aus dem Jahr 2009, aber weniger für ihre Siege.  Gemanaged wird das Team von Marc Madiot, selbst in den 90ern ein sehr erfolgreicher Profi. FDJ ist zwar nicht für Siege bekannt, hat allerdings ein paar später, in anderen Teams sehr erfolgreiche Sieger hervorgebracht, z.B. Phillipe Gilbert und Baden Cooke. Von 28 Fahrern sind übrigens nur vier keine Franzosen. In dieser Saison setzt das Team große Hoffnungen in Arthur Vichot, welcher bereits eine Etappe der diesjährigen Dauphinè gewann, sowie in ihr seit 12 Jahren treue ergebener Fahrer Sandy Casar.

Team Garmin – Sharp (GRM): Die Netten

Ryder Hesjedal, Giro Sieger 2012 im neuen Dress – Foto: Castelli Cycling

Land: USA | Räder/Komponenten: Cervélo/Shimano | offizielle Website: slipstreamsports.com | Hauptsponsoren: Garmin (Hersteller von GPS-gestützen Navigationssystemen) / Sharp (Consumer Elektronics) / Barracuda Networks (Anbieter von IT-Produkten im Bereich Netzwerke und Datensicherheit)

Jonathan Vaughters war in seiner aktiven Zeit unter Anderem bei US Postal angestellt und verdiente nach seinem Karriereende als Immobilienmakler sein Geld. Dies reichte letztendlich, um mit Slipstream Sports, dessen Besitzer ein guter Freund von ihm ist, ein Team aufzubauen, welches auf langer Sicht zum ProTour Status aufsteigen sollte. Mit Hilfe von Garmin als Hauptsponsor und dem im Jahr 2010 erfolgten Zusammenschluss mit dem Cervélo Test Team, stieg das Team im selben Jahr in die erste Radsportliga auf. Obwohl Garmin ihren Weltmeister und Sprinter Thor Hushovd an das Team BMC abgeben musste, mangelt es im Team nicht gerade an Siegertypen: der Kanadier Ryder Hesjedal gewann in diesem Jahr überraschend die Giro d’Italia. Weitere bekannte Fahrer sind: David Millar, Johan VanSummeren, Dave Zabriskie, Christian Vande Velde und Fabian Wegmann. Am 25. Juni wurde Sharp als neuer Sponsor bekannt gegeben und von Garmin-Barracuda zu Garmin-Sharp umbenannt.

GreenEdge Cycling Team (GEC): Die Neuen

Beppu & Goss – Foto: dancingonthepedals.net Flickr CC-BY-ND

Land: Australien | Räder/Komponenten: Scott/Shimano | offizielle Website: greenedgecycling.com | Hauptsponsoren: Auch GreenEdge wurde erst spät mit einem Sponsor gesegnet und heisst nun Orica-GreenEdge.

Schon im Jahr 2009 war die Aufregung groß: es hieß, dass Australien bald sein erstes eigenes ProTour Team stellt. Robbie McEwen wurde bereits verpflichet, die für ein ProTeam nötigen 14 Millionen Dollar an Sponsorengeldern waren auch sicher. In letzter Minute sprang jedoch ein Hauptsponsor ab, dem Pegasus Racing Team gelang es dadurch in letzter Minute nicht eine UCI Lizenz genehmigt zu bekommen. In dieser Saison wurde der australische Traum jedoch endlich wahr: GreenEdge ist das erste australische PoTour Team in einem Land, welches seit ein paar Jahren einen Radsportboom erlebt. 18 der 30 Fahrer sind Australier oder Neuseeländer. Simon Gerrans sorgte direkt für einen guten Einstand: er gewann die Tour Down Under im Januar und Mailand-San Remo im März. Seitdem ist es leider etwas ruhig geworden um das Team.

Katusha Team (KAT)

Oscar Freire – Foto: Anthony Cramp Flickr CC-BY

Land: Russland | Räder/Komponenten: Canyon/Shimano | offizielle Website: katushateam.com | Hauptsponsoren: Russian Global Cycling Project (u. a. Gazprom, Itera und Rostechnologii)

Das Team Katjuscha/Katusha/Катюша wurde von Wladimir Putin höchstpersönlich vermittelt. Durch die guten Wirtschaftskontakte des russischen Ministerpräsidenten erklärten sich einige Konzerne, darunter Gazprom, dazu bereit, Sponsoringambitionen im Radsport anzustreben. Überzeugt hat ihn wahrscheinlich der Name dieses Teams, angelehnt an den Raketenwerfer aus russischer Herstellung. Seit 2009 hält Katjusha den ProTeam Status und beherbergte bereits Fahrer wie Robbie McEwen und Filippo Pozzato, aktuelle bemühen sich unter anderem Oscar Freire, Joaquim Rodríguez (Sieger des Flèche Wallonne) und Dennis Menchov um hohe Platzierungen. Teammanager ist Michael Holczer, welcher manchem noch als Manager von Gerolsteiner in Erinnerung geblieben ist, welches Ende 2008 mit zwei positiven EPO Tests unrühmlich aus dem Radsport verschwand. Das Team fährt auf Canyon Rädern aus Koblenz. Die Firma Canyon sponsorte zuvor das Team Omega-Pharma Lotto, verlor jedoch seinen Vertrag, als Tony Martin darauf bestand, sein Specialized Rad in das neue Team Omega Pharma  – QuickStep mitzunehmen.

Lampre – ISD (LAM)

Davide Vigano – Foto: dancingonthepedals.net Flickr CC-BY-ND

Land: Italien | Räder/Komponenten: Wilier Triestina/Campagnolo | offizielle Website: teamlampreisd.com | Hauptsponsoren: Lampre Group (italienische (Lampre) und ukrainische (ISD) Stahlproduzenten)

Die Familie Lampre unterstützt bereits seit 1991 den italienischen Radsport. Im Jahr 2004 übernahmen sie als Hauptsponsor und neuen Namensgeber das Team Saeco und führten deren Tradition in Sachen eigenartiger Publicity Stunts fort, wie z.B. einen Ausflug zur Rennstrecke nach Monza, um während eines Ruhetages der Giro 2005 für ein paar Fotos zu posieren. Die Teamfarben, pink/lila, stechen direkt eher unangenehm ins Auge und im Peloton von Weitem sichtbar. Mit Fahrern wie Allessandro Petacchi, Michele Scarponi und Damiano Cunego sind ein paar Etappensiege für das Team eigentlich immer sicher, so sicher wie die gelegentlichen Führungskämpfe unter den italienischen Alphatieren. Auch der deutsche Danilo Hondo verbringt hier die letzten Tage seiner eher turbulenten Karriere.

Liquigas – Cannondale (LIQ)

Ivan Basso – Foto: Gianluca Gozzoli Flickr CC-BY-NC-SA

Land: Italien | Räder/Komponenten: Cannondale/SRAM | offizielle Website: teamliquigascannondale.com | Hauptsponsoren: italienischer Flüssiggasvertrieb / amerikanischer Fahrradhersteller

Bis zum Jahr 2009 war es eher ruhig um das Team bestellt, ein Jahr später zog das Team die große Öffentlichkeit auf sich, nachdem deren Fahrer Ivan Basso die Giro d’Italia und Vincenzo Nibali die Vuelta gewannen. Seitdem geht es für das Team stetig bergauf. Die Verpflichtung des Slowaken Peter Sagan war ein echter Glücksgriff, Sagan wird mit seinem Anfahrer Daniel Oss vermutlich Mark Cavendish den Kampf um das grüne Trikot der Tour vermiesen. Seine Stärke hatte Sagan bereits bei der Kalifornien Rundfahrt bewiesen, als er 5 der 8 Etappen gewann, sowie später 4 der 9 Etappen der Tour de Suisse. Auch die Entscheidung Moreno Moser als NeoPro einzustellen, war eine gute Entscheidung; dieser gewann Eschborn-Frankfur vor seinem Teamkollegen Domenik Nerz.

Lotto – Belisol Team (LTB)

Jelle Vanenedert – Foto: Gianluca Gozzoli Flickr CC-BY-NC-SA

Land: Belgien | Räder/Komponenten: Ridley/Campagnolo | offizielle Website: lottobelisol.be | Hauptsponsoren: Belgische Lotterie / belgische Fensterrahmenhersteller

Die belgische Lotteriegesellschaft hat eine lange Tradition im Radsportsponsoring, bereits seit 1985 ist Lotto im belgischen Radsport unterstützend aktiv. Die Verbindung mit Omega-Pharma zerbrach im letzten Jahr im Streit über die Zukunft des Teams und teilte sich somit entzwei: es entstanden Omega Pharma-Quickstep sowie Lotto-Belisol; letztere bekamen eine neue UCI ProTour Lizenz. Lotto-Belisol nahm Andre Greipel mit, welcher seinen Sprintzug mit Marcel Sieberg und Greg Henderson in diesem jahr bereits erfolgreich testen konnte – bis Ende Juni holte er 13 Etappensiege. Jelle Vanendert trug schon in der letzten Tour de France das gepunktete Trikot und hat es auch in diesem Jahr wieder darauf abgesehen, ausserdem schickt das Team Jürgen Van den Broeck in den Kampf um die Top 10 Plätze.

Movistar Team (MOV)

Foto: nuestrocicismo.com Flickr CC-BY-SA

Land: Spanien | Räder/Komponenten: Pinarello/Campagnolo | offizielle Website: movistarteam.com | Hauptsponsoren: Spanisches Telekommunikationsunternehmen

Das Team Movistar entstand aus dem Team Reynolds und später Banesto, mit dem erfolgreichster Fahrer und fünffacher Toursieger Miguel Indurain, der seinem Team bis zu seinem Karriereende im Jahr 1996 immer treu blieb. Banesto beherbergte in den 90ern ein paar der erfolgreichsten Fahrer ihrer Generation, unter anderem Alex Zülle und Abraham Olano. Später gewann das Team unter dem Namen Caisse d’Espargne mit Oscar Pereiro nachträglich die Tour de France 2006 (Toursieger Floyd Landis hatte einen Testosteronwert, welcher den zulässigen Wert um das dreifache überschritt). Doch auch Pereiro musste sich später für einen zu hohen Salbutamolwert im Urin rechtfertigen; dazu benutzte er das beliebte Argument, dass seine Asthma-Erkrankung für die zu hohen Werte verantwortlich sind und entging somit einer Verurteilung. Der seitdem erfolgreichste Fahrer des Teams, Alejandro Valverde, führte die UCI Punkteliste in den Jahren 2006 und 2008 an und gewann im Jahr 2009 die Vuelta, bevor erin den darauf folgenden zwei Jahren aufgrund seiner Verbindungen zum Fuentes Skandal eine Dopingsperre absitzen musste. Das Team konnte sich nie von den zahlreichen Dopingvorwürfen lösen, welche mit dem spanischen Dopingskandal um Dr. Fuentes einher gingen.  Das heutige Movistar Team nahm zwar alte Dopingsünder wie Valverde wieder auf, besticht jedoch in den letzten zwei Jahren eher durch Unauffälligkeit. Für den größten Sieg in diesem Jahr sorgte nur der Portugiese Rui Costa bei der Tour de Suisse, allerdings gilt der letztjährige Sieger der Vuelta, Juan Jose Cobo, welcher durch die Auflösung des Teams Geox zu Movistar wechselte, als neuer Hoffnungsträger in den großen Rundfahrten.

Omega Pharma – Quickstep (OPQ)

Foto: Brassynn Flickr CC-BY-NC-ND

Land: Belgien | Räder/Komponenten: Specialized/SRAM | offizielle Website: omegapharma-quickstep.com | Hauptsponsoren:
Pharmaunternehmen / Hersteller von Bodenbelägen

Wie bereits bei Lotto-Belisol erwähnt, entstand dieses Team aus der Aufsplittung von Team Omega Pharma-Lotto zum Ende der letzten Saison. OPQS wurde um ganze 12 Fahrer ärmer und ging, im Gegensatz zu Lotto-Belisol, dazu über einen großen Teil der Fahrer des im letzten Jahr aufgelösten Team HTC zu verpflichten, darunter Tony Martin, Matthew Brammeier, Bert Grabsch und die Velits Brüder. In dieser Saison ist das Team internationaler geworden, die meisten Belgier gingen zu Lotto-Belisol und französische Fahrer wie Sylvain Chavanel müssen sich nun darauf vorbereiten, mehr ungeliebtes Englisch zu sprechen als vorher. Chava’s gute Form dieses Jahr lässt das Team auf eine Top 10 Platzierung bei der Tour hoffen. Omega Pharma – Quickstep ist das bisher erfolgreichste Team dieser Saison – allein durch Tom Boonen’s unvergleichlich starke Klassikersaison. Tommeke gewann zuerst die Tour of Quatar, dann die Klassiker Paris-Nizza, E3 Harelbeke, Gent-Wevelgem, die Flandern Rundfahrt und zuletzt natürlich Paris-Roubaix. Dann holte er auch noch den belgischen Meistertitel auf der Straße, einen von 8 Meisterschaftstitel für das Team. Die Tour de France fährt Tom Boonen nicht mit, da er Belgien bei den Olympischen Spielen vertreten und zum Sieg verhelfen will.

Rabobank Cycling Team (RAB)

Mark Renshaw – Foto: Brassynn Flickr CC-BY-NC-ND

Land: Niederlande | Räder/Komponenten: Giant/Shimano | offizielle Website: rabosport.nl | Hauptsponsoren: Niederländische Bank

Als Mark Renshaw sich dazu entschied, seinem Teamleader bei HTC, Mark Cavendish, nicht nach England zu Team Sky zu folgen, war das einer herbe Enttäuschung für seinen guten Freund, der seinen besten Anfahrer seitdem sehr vermisst. Dies betont der Straßenweltmeister bei jeder Gelegenheit; Rabobank hätte Mark Renshaw nur mit dem Versprechen geködert, er werde im neuen Team zu Sprinter aufgebaut, dabei sei er als bester Anfahrer des Pelotons nur verpflichtet worden, um seinem Teamkollegen Theo Bos zum Sieg zu verhelfen. Rabobank ist eine unübliche Entscheidung für den Australier Mark Renshaw, der seine Karriere auf der Bahn begann, dort jedoch keine Zukunft für sich sah und mutmaßlich noch immer schlecht auf den Australischen Verband zu sprechen ist, welcher ihn nach eigener Aussage auf der Bahn des Öfteren aussen vor gelassen hatte. Das erklärt wahrscheinlich auch, warum er nicht zu Orica-GreenEdge wechselte, als das australische Superteam vor allem Australier verpflichtete. Rabobank zeigt seit 1995 relativ konstante Leistungen und wenig Veränderungen in der Teamaufstellung. Seit Ewigkeiten dabei: Grischa Niermann aus Hannover, Lars Boom, Bauke Mollema und Laurens Ten Dam. Robert Gesink gewann die Tour of California mit einer beeindruckenden Leistung auf der vorletzten Etappe am Mt. Baldy. Mit Wilco Keldermann bewiesen die Teamchefs ausserdem ein gutes Auge für junges Talent: der 21-jährige gilt für die Zukunft als aussichtsreicher Klassement- und Zeitfahrer und gewann bereits die Nachwuchswertung in Kalifornien und bei der Daupinè.

RadioShack – Nissan (RNT): Die Zwei in Eins

Jens Voigt – Foto: Cas_Ks Flickr CC-BY-NC-SA

Land: Luxemburg | Räder/Komponenten: Trek/Shimano | offizielle Website: radioshacknissantrek.com | Hauptsponsoren: Amerikanische Elektromarktkette / amerikanischer Autohersteller

Wollten eigentlich RadioShack-Nissan-Trek heißen, was sich auch wirklich schön gereimt hätte, aber leider gestattet die UCI nur maximal zwei namensgebende Sponsoren. Problematischer noch dürfte für dieses aus der im letzten Herbst relativ überraschend angekündigten Fusion von RadioShack und Leopard Trek entstandene Team aber zweifellos jene UCI-Regel gewesen sein, nach der ein ProTeam nur maximal dreißig Fahrer beschäftigen darf. Man musste sich von der Hälfte der zuvor bei beiden Teams unter Vertrag stehenden Fahrer und anderweitig Angestellten trennen, und so was ist nie schön. Es wurde unschöner, als die Betroffenen zum Teil unangemessen lange darüber im Unklaren gelassen wurden, ob sie überhaupt Betroffene waren oder nicht. Mittlerweile ist aber natürlich alles geklärt, und glücklicherweise gibt es keine UCI-Regel für ein Maximum an Top-Fahrern. Unter anderem mit Blick auf die zwar umstrittene aber als Anhaltspunkt durchaus zu gebrauchende UCI-Punkteliste, küren wir RadioShack-Nissan zum zweiten Real Madrid der WorldTour 2012: ganze acht Fahrer finden sich in den Top 50 der finalen Liste von 2011 (zum Vergleich: ausgehend von der aktuellen Besetzung hatten BMC und Sky jeweils fünf Fahrer unter den Top 50, Garmin vier, und die anderen Teams maximal drei). Ein bißchen problematisch bleibt für uns allerdings trotzdem die Tatsache, dass wir Leopard Trek eher mochten (wegen dem Überhelden Jens Voigt, dem feschen Fabian Cancellara, der lustigen Gebrüder Schleck), RadioShack aber eigentlich eher nicht so (wegen der hässlichen Trikots… und der hässlichen ewigen Lance-Armstrong-Connection). Wir müssen mal schauen, wie sich das entwickelt… Fraglos am unschönsten bleibt außerdem sowieso der Verlust der Leopard-Trek-Trikots – und der ist nun wirklich durch nichts wieder gut zu machen.

Sky Procycling (SKY): Die Rich Kids

Greg Henderson – Foto: Tim Moreillon Flickr CC-BY-SA

Land: Großbritannien | Räder/Komponenten: Pinarello/Shimano | offizielle Website: teamsky.com | Hauptsponsor: BSkyB (britischer Pay-TV-Sender)

Auch: Die Briten. Und: Die mit dem längsten Bus im Peloton. Vor allem aber: Die, bei denen es mir am schwersten fällt, mich kurz zu fassen. Diese Mischung aus Überprofessionalität und Größenwahn, die Team Sky insgesamt an den Tag legt, dann aber doch eher grausig faszinierend finde. So ähnlich wie bei Google. Oder IKEA. Oder Skandinavien im Allgemeinen. Wo alles so nett, so sinnvoll und so absolut Zufalls-frei erscheint, daß man schnell anfängt, sich unangenehm gehirngewaschen zu fühlen. Und im Hintergrund Kinderarbeit oder Waterboarding zu vermuten. Es gab da mal diese Geschichte, dass die Sky-Fahrer, wenn sie in Hotels untergebracht sind, täglich per SMS mitgeteilt bekommen, ob sie zum gemeinsamen Abendessen die weißen oder die schwarzen Adidas-Shirts zu tragen haben… Und es gibt diese überaus gruselige Top-Tube-Poetry, die sie alle auf ihren Rädern haben… mittlerweile auch zum Runterladen als Wallpaper. Wie auch immer, hier die Fakten: Team Sky wurde 2010 gegründet, um „innerhalb von 5 Jahren einen Briten auf das Podium der Tour de France zu bringen“. Dabei mag auch die generelle britische Radsportoffensive nach Vergabe der olympischen Sommerspiele 2012 an London eine Rolle gespielt haben. Niemand macht einen Hehl daraus, dass man sich damals zusammensetzte, zu dem Schluss kam, die meisten Heim-Medaillen seien in den Radsportdisziplinen (auch und insbesondere auf der Bahn) zu holen, und in Folge viel Geld in entsprechende Trainingsprogramme fließen ließ – denen nun halt auch nicht wenige, wichtige und fraglos gute Sky-Fahrer entstammen. Mit der britischen Olympiamannschaft teilt man sich neben Fahrern aber auch noch einige Trainer, generelle Infrastruktur und eben Geldgeber – und diese geben viel Geld: genaue Zahlen kennt man nicht, aber man munkelt, dass die Sky-Fahrer nicht wirklich Not leiden müssen und z.B. mit eigenen Matratzen reisen. 2012 kommt nun alles zusammen. Man möchte viel Gold bei der Heimolympiade gewinnen, außerdem wie gesagt die Gesamtwertung der Tour de France, dazu jetzt aber mit Neuzugang und Weltmeister Mark Cavendish auch gerne noch die Sprintwertung . Und natürlich einfach insgesamt einen guten Eindruck machen, das beste, netteste und cleanste Team der Welt sein. Und obwohl tatsächlich jeweils einiges für die Erreichbarkeit dieser Ziele im Einzelnen spricht, bleibt die Frage: geht das echt alles? Auf einmal? Oder ist das in der Summe so anmaßend, dass es zwangsläufig ins Verderben führen muss? Sagen wir mal so: wenn das geht, dann vermutlich mit Gehirnwäsche, Kinderarbeit und Waterboarding. 

Team Saxo Bank – Tinkoff Bank (SAX)

Das neue Trikot – Foto: Cyclingworld.dk

Land: Dänemark | Räder/Komponenten: Specialized/SRAM | offizielle Website: team-saxobank.com | Hauptsponsoren: Dänische Investmentbank und russische Bank für Kreditsysteme

Saxo Bank wurde hauptsächlich um Alberto Contador aufgebaut, so waren sich viele sicher. Als Contador jedoch Anfang dieses Jahres seine 2-jährige Sperre aufgrund der allseits bekannten Clenbuterol-Affäre überreicht bekam, welche rückwirkend verhängt wurde und ihm um all seine UCI Punkte brachte, sah es nach einer düsteren Saison für Bjarne Riis und sein Team Saxo Bank aus. Ohne Alberto’s Punkte war das Verbleiben in der ProTour Liga nicht mehr gesichert, auch weil kaum ein anderer Fahrer wirklich aus seinem Schatten herausspringen konnte.  Contador wird erst wieder zur Vuelta zur Verfügung stehen, trotzdem schaffte es Bjarne Riis am 25. Juni offiziell einen neuen Sponsor an Land zu ziehen: Tinkoff Bank, repräsentiert in der Person von Oleg Tinkov. Der russische Geschäftsmann begann seine Karriere in den frühen 80ern in der Sovietunion, und erkannte seinen guten Geschäftssinn, als er vier paar Jeans für 50 Rubel kaufte und für 200 Rubel verkaufte. Später ging er dazu über mit Elektroartikeln und CD’s ein Vermögen zu machen. Seine Leidenschaft für den Radsport begann bei ihm schon während der Studienzeit. Tinkov hatte bereits ein Continental Team gesponsort, das Team Tinkoff Credit Systems machte jedoch nur Schlagzeilen mit der Verpflichtung ehemaliger Dopingsünder wie Tyler Hamilton und Jörg Jaksche. Saxo Bank – Tinkoff Bank wird mit der Rückkehr von Alberto Contador sicher wieder zu Siegesform zurückkehren, ausserdem liegen auch ein paar neue Transfers in der Pipeline, wie z.B. den von Jakob Fuglsang, bisher beim sich langsam selbst zerfleichschenden Team Radioshack-Nissan verpflichtet.

Vacansoleil – DCM Pro Cycling Team (VCD)

Willem Wouters und Thomas De Gent – Foto: Sum_of_Marc Flickr CC-BY-NC-ND

Land: Niederlande | Räder/Komponenten: Bianchi/Shimano | offizielle Website: vacansoleildcm.de | Hauptsponsoren: Holländische Campingplatzkette und Lieferant für Bauernhofausrüstung

Als Thomas de Gent in diesem Jahr die Giro-Etappe zum Stelvio gewann, fuhr er sich auf seiner persönlichen Trainingsstrecke in die Favoritenrolle des gepunkteten Trikots der Tour de France. Vacansoleil beherbergt nicht nur starke Kletterer wie De Gent und gute Zeitfahrer wie Martijn Keizer, sondern ist vor allem bekannt dafür, regelmässig, ob bei Klassikern oder großen Runfahrten, in jeder Ausreissergruppe vertreten zu sein. So auch deren durch tragische Umstände berühmtester Fahrer, Johnny Hoogerland, dessen Unfall bei der 9. Etappe der Tour de France 2011 ihn nicht nur in das Stacheldraht am Rande einer französischen Allee katapultierte, sondern auch in sämtliche Rückblicke der gruseligsten Unfälle der Geschichte des Radsports. Dieses Jahr will Hoogerland neben seinen regelmässigen Ausreissversuchen Schlagzeilen machen, sondern auch mit Siegen. Wir drücken ihm die Daumen und hoffen, dass es für Fotografen bald einen besseren Grund gibt, als seine Beine zu fotografieren

 

Zum Weiterlesen: Fahrerlisten sowie Kontaktinformationen findet man unter den weiterführenden Links der UCI. Die Wikipedia-Seiten zu den einzelnen Teams sind in der Regel auf dem neuesten Stand und bieten ausführliche Informationen z.B. zu Teamhistorie, Zu- und Abgängen, etc. Hier die Übersicht für 2012.

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