„Ist der cool? Kann man den gut finden?“ – die Frage, die nicht nur ich mir noch vor Kurzem gestellt habe. Mit dem Sieg bei der diesjährigen Giro d’Italia erhob sich der vormals eher unbekannte Kanadier Ryder Hesjedal plötzlich in die Ränge eines aussichtsreichen Anwärter auf den Toursieg 2012. Woher kam der 1,88m-große Typ, der in den Interviews während der Giro so wortkarg war, dass es fast arrogant wirkte? Was steckt hinter ihm und seinem Team?
The Argyle Armada

Garmin’s Teammanager Jonathan Vaughers. Foto: rcrhee (Flickr) CC-BY
Ryder Hesjedal’s Titel ist zugleich der erste große Sieg für sein Team Garmin-Sharp (vormals Garmin-Barracuda), das selbst-deklarierte zu allen Seiten offene und saubere Team, welches nicht nur für den Einzug des Blutpasses in den Radsport verantwortlich ist, sondern auch mittlerweile zwei Fahrer, Thomas Dekker und David Millar, beherbergt – beide haben bereits jeweils eine zweijährige Sperre aufgrund von EPO-Missbrauch abgesessen und sich im Falle von David Millar, durch Offenheit und Reue fast vollständig innerhalb der Radsport- und Fangemeinde rehabilitiert. Für den Teammanager Jonathan Vaughters ist eine Wiederaufnahme ins Peloton, trotz der strikten Anti-Doping Haltung des Teams unter bestimmten Voraussetzungen absolut legitim: ein offenes Schuldeingeständnis, Reue und absolute Offenheit gegenüber Journalisten und jedem Anderen, der fragt. Dies ist leider nicht selbstverständlich im Radsport. Bevor Dekker ins Team aufgenommen wurde, musste er trotzdem noch über 18 Monate hinweg regelmässige Leistungstests und Blutuntersuchungen über sich ergehen lassen.
Garmin-Sharp begann als Youth Development Team im Jahr 2003 unter dem Namen 5280/Subaru in Boulder, Colorado und wurde erst im Jahr 2009, nach seiner Fusion mit dem Cervèlo Test Team in die erste Liga des Radsports aufgenommen. Teammanager Jonathan Vaughters, selbst ehemaliger Profi bei US Postal und Crédit Agricole, schaffte es seine Équipe innerhalb von drei Jahren in der ProTour-Liga von einem fast nur durch die ewige Dopingdebatte auffälligen, mit seiner ständig propagierten Offenheit (bis hin zum Einblick in die „schmutzige Gesäßcreme“ – Zitat: Vaughers) beinahe nervigen Sonderling, zu einem nicht zu unterschätzenden Herausforderer in Klassikern und Grand Tours aufzubauen. Im letzten Jahr gewann Garmin’s Johan Van Summeren Paris-Roubaix, dem härtesten Eintagesklassiker der Frühjahrssaison. Endlich folgten aus dem ewigen Gerede über den „besseren Weg“ auch Resultate – und es sollte noch besser kommen:
Ryders steiniger Weg

Ryder Hesjedal, unaufgeregt bei der Giro 2012. Foto: Gianluca Gozzoli (Flickr) CC-BY-NC-SA
Ryder Hesjedal’s Weg zu einer Radsportkarriere auf der Straße führte über einen wortwörtlich steinigen Weg. Im Jahr 2001, im Alter von 21 Jahren, gewann er den Weltmeistertitel auf dem Mountainbike und wiederholte dies ein Jahr später, um sich dann im Jahr 2005, nachdem er ein Jahr bei US Postal verbrachte, endgültig für den Wechsel auf das Rennrad zu entscheiden und seine Karriere bei Discovery Channel fortzuführen. Die Saison 2006 verbrachte er bei Phonak, bevor er ein Jahr später nach dessen Auflösung zum kalifornischen ContinentalTeam Health Net-Maxxis wechselte. Dort wurde letztendlich Jonathan Vaughters auf ihn aufmerksam und bot ihm einen Vetrag bei Garmin-Slipstream an.
Als Johnathan Vaughers den damals 28-jährigen für sein Team verpflichtete, hatte dieser also schon eine kleine Karriere als Neopro in namenhaften Teams hinter sich. Jedoch dachte Vaughters nie daran, dass Hesjedal jemals eine große Rundfahrt gewinnen würde, schließlich hatte Ryder seine frühen Jahre als Zeitfahrspezialist und Helfer begonnen und diese Rolle sollte er bis zum Jahr 2010 auch weiterhin ausfüllen. Bereits im Jahr 2005 fuhr Ryder seine erste Grand Tour, die Giro d’Italia, welche er jedoch nicht beendete. Bei seinem späten Debut bei der Tour de France im Jahr 2008 half er seinem Teamkapitän Christian Vande Velde zum vierten Platz in der Gesamtwertung. Sein Wechsel vom Helfer zum zeitweiligen Teamkapitän folgte daraufhin im Jahr 2010: als Christian Vande Velde bei der Tour de France früh stürzte und ausschied, übernahm Ryder seine Position und zeigte, dass er in diesem jungen Team schon zu den erfahrensten Fahrern gehörte – er erreichte den vierten Platz in der Etappe über den Tourmalet und wurde letztendlich siebter im Gesamtklassement.
Christian Vande Velde war auch ausschlaggebend für Hesjedal’s Erfolg bei der diesjährigen Giro, nachdem er sich auf dem Weg zum Stifzer Joch aus der Ausreissergruppe heraus zurückfallen liess, das Tempo für seinen Leader vorgab und damit das Feld hinter ihnen sprengte. Radsport ist schliesslich trotz allem eine Teamsportart. Der Kurs der Giro war wie gemacht für Hesjedal; auf der anderen Seite behaupteten dies im Voraus auch seine Kontrahenten Ivan Basso und Michele Scarponi, von denen er sich nicht abschütteln lies – mehr noch: die er auf dem Weg nach Cervinia in der 14. Etappe sogar im Alleingang abhing. Ab diesem Punkt nahmen er und sein Team den Italienern ihre Rundfahrt aus den Händen.
Hesjedal ist bekannt für seine zurückhaltende Art; während der Giro strahlte er trotz seiner späten Favoritenrolle und den Hoffnungen eines ganzen Landes auf seinen Schultern eine unheimliche Ruhe aus. ,,Ryder ist so laid-back, dass er fast waagerecht ist“ – so beschrieb ihn sein sportlicher Leiter Charly Wegelius. Die Zeit ausserhalb der Saison verbringt er mit seiner Frau in Maui. Seine Wahlheimat Hawaii und das Surfen als eines seiner Lieblingshobbys sind Hinweise darauf, wie cool Ryder eigentlich ist: zu seinen Zeiten als Mountainbiker färbte er sich seine Haare blond und trug Gucci Schuhe, zu seinem Fortbewegungsmittel neben dem Mountainbike gehörte ein Lexus. Schon damals lag ihm Kanda zu Füßen – Ryder hat in seiner Heimat für einen Radsportboom gesorgt, in einer Sportart, die in Kanada zuletzt in den frühen 90ern mit Steve Bauer von sich Reden machte. Seitdem bekommt Radsport in Kanada (neben de Nationalsport Eishockey) auch in den großen Medien die Aufmerksamkeit, die sie verdient.
Wenn Ryder Hesjedal also in diesem Jahr zur Tour de France antritt, ist er neuerdings ein aussichtsreicher und ernstzunehmender Anwärter auf den Gesamtsieg. Garmin-Sharp vollendete in diesem Jahr den Schritt zu einem Team, welches in der Lage ist, einen starken Fahrer über drei Wochen hindurch zu unterstützen und in die oberen Ränge zu halten; auch ausserhalb des Time Trials, deren traditionell stärkste Disziplin. Es wird interessant anzusehen, wie laid-back Ryder Hesjedal in dieser Konkurrenzsituation mit der Giro in den Beinen wirklich bleibt und wie er mit dem Druck umgeht, welche die mediale Aufmerksamkeit eines Giro-Sieges mit sich bringt.
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