„Hierbei handelt es sich um Blutproben, welche auf den Gebrauch von EPO und/oder Bluttransfusionen hinweisen“ – klingt wie Radsport im Jahr 1999, dabei handelt es sich jedoch um neue Dopingvorwürfe gegen Lance Armstrong, basierend auf Blutproben aus den Jahren 2009 und 2010, welche in seinen ersten Comebackjahren bei Radioshack entnommen wurden. Die US-Antidopingagentur USADA hat Lance, wie heute bestätigt wurde, unter Anderem aufgrund dieser neuen Vorwürfe angeklagt.

Foto: Jöran Maaswinkel (Flickr) CC-BY-NC-SA
Der 7-fache Toursieger nennt die Vorwürfe in einem Statement auf seiner Website eine „Hexenjagd“, eine „Verschwörung der USADA“ und „verfassungswidrig“. Er sei, wie oft betont, in seiner Karriere 500 Mal getestet worden und dabei nicht ein Mal positiv aufgefallen.
Die Aussicht auf ein endgültiges Urteil darüber, ob Lance seine sieben Toursiege und seine damalige Dominanz mit natürlichem Talent oder durch EPO Kuren vor, und Bluttransfusionen während der Rennen in Anspruch nahm, verlief im Februar 2012 überraschend im Sande, als ein zwei Jahre andauerndes Verfahren der US-Staatsanwaltschaft gegen Armstrong plötzlich eingestellt wurde. Dabei ging es hauptsächlich um die Frage, ob in seinem damaligen Team US Postal systematisches Doping betrieben wurde und dadurch, da die finanziellen Mittel des Teams aus öffentlicher Hand stammten, Steuergelder veruntreut wurden. Die neuen Anschuldigungen sind „frisch“ und beziehen sich auf die letzten zwei Jahre seiner Radsportkarriere, nach dem erstmaligen Rücktritt im Jahr 2005, und sind deshalb besonders brisant.
Die USADA äußerte sich im Februar enttäuscht über die Einstellung des Verfahrens und deutete an, die bisherigen Untersuchungsakten für einen neuen Prozess anfordern zu wollen. In wie weit die alten Anschuldigungen in diesem neuen Verfahren der USADA zur Sprache kommen, ist noch nicht bekannt.

Lance & Johan Bruyneel – Foto: Paul Coster (Flickr) CC-BY
Die Nachricht über den offiziellen Beginn des neuen Verfahrens kam für diejenigen, die das Dilemma seit Langem bereits verfolgten, nicht unbedingt überraschend. Vor Beginn der Tour of California wurde Armstrong’s ehemaliger Teammanager, Vertrauter und selbsternannte Grund seiner Erfolge, Johan Bruyneel, am Flughafen abgefangen und mit einer Vorladung der US Behörden überrascht. Dies wurde von seinem Team Radioshack-Nissan nie bestätigt; bekannt ist jedoch, dass Bruyneel nicht das Ende des Rennens abwartete, um wieder zurück nach Europa zu fliegen.
Schwerwiegende Aussagen ehemaliger Teamkollegen
Das Verfahren, welches unter anderem auf öffentlichen Aussagen ehemaliger Teamkollegen beruhte, darunter Floyd Landis, Taylor Hamliton, sowie Frankie Andreu, der zu Beginn von Armstrong’s Krebsbehandlung im Jahr 1997 bei einem Gespräch mit dessen Arzt anwesend war. Dort antwortete, so die Aussage von Andreu und seiner Frau unter Eid, Armstrong auf die Frage des Arztes, ob er jemals leistungssteigernde Mittel zu sich genommen hätte mit: „EPO, Testosteron, Wachstumsmittel und Kortison“.
Spenden an die UCI
Die ziemlich handfesten Vorwürfe gegen Lance Armstrong ziehen sich bereits durch mehr als eine Dekade. Im Jahr 2002 sei Armstrong, so sein damaliger Teamkollege Floyd Landis, bei der Tour de Suisse positiv auf EPO getestet worden. Armstrong war darüber absolut nicht besorgt gewesen; er habe, so erzählt Landis, ein „finanzielles Abkommen“ mit dem damaligen UCI Vorsitzenden Hein Verbruggen getroffen. Im Jahr 2010, inmitten der ersten Ermittlungen, bestätigte die UCI, dass sie im Jahr 2002 von Lance Armstrong eine „einmalige Spende in Höhe von 100.000 Dollar für die Anschaffung einer Maschine zur Analyse von Blutproben“ erhalten habe, welche nicht im Zusammenhang mit dem positiven Dopingbefund bei der Tour de Suisse steht.
Zahlreiche Vorwürfe verwehten über die Jahre im Sande. Nicht ausführlich erwähnt bleiben hiermit: die sechs positiven B-Proben aus dem Jahr 1999, welche alle laut Armstrong auf Namensverwechslungen beruhen; der US Postal Doktor, welcher beim wegschaffen von Spritzen und Blutbeuteln gefilmt wurde; der Kontakt zum Hämatologen Dr. Ferrari „zu rein sportlichen Zwecken“, welcher jedoch laut Greg LeMond nicht weiss, was ein Wattmessgerät ist und natürlich die beschädigten und falsch gelagerten Proben aus dem Jahr 1999, welche Lance vor seinem Comeback nicht noch einmal untersuchen lassen wollte.
In der amerikanischen Maiausgabe der Men’s Journal äusserte sich Lance Armstrong zum ersten Mal ungewohnt offen über die Anschuldigungen, ohne gereizt seine 500 negativen Dopingtests anzuführen. Er wird in Zukunft „keine Zeit mehr damit verschwenden“ die Vorwürfe zu bekämpfen. Sein bereits erwähntes Statement auf seiner Website spricht hingegen eine andere Sprache. Es wird spannend zu sehen, ob und vor allem mit welchen Argumenten er seine Unschuld weiter beteuern wird. Für ihn stehen trotz Allem noch immer seine 7 Tour de France Siege auf dem Spiel.

Lance bei der Tour de France 2002 – Foto: Eugene (Flickr) CC-BY-NC-SA
Lance ist vor allem in Amerika noch immer ein Vorbild für die Verbissenheit, mit welcher er seine sportlichen Ziele anging und heute im Triathlon fortführt. Dabei treibt er seinen Körper immer wieder an seine Grenzen. Viele erinnern sich an die Tour de France 2003, wo nicht nur das Duell zwischen Jan Ullrich und Lance Armstrong das Geschehen bestimmten, sondern auch die Rekordhitze in den Bergen, bei einer zeitweilig gemessenen Höchsttemperatur von 32°C. Bei der 12. Etappe, dem Einzelzeitfahren nach Cap Decouverte, begann Armstrong in der zweiten Hälfte der 47km-langen Strecke einzubrechen und wurde am Ende nur Zweiter, 1:36 Minuten hinter Jan Ullrich. Lance war stark dehydriert – in seinen Mundwinkeln bildeten sich Salzkristalle und er sein Gewicht reduzierte sich um 6 Kilogramm, allein während dieser Etappe.
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[…] Tagesaktuell, adäquater Soundtrack (bezogen auf Joseba Beloki, der zu Ende des Videos den Halt verliert: They say I’m losin’ it, just can’t seem to keep my grip, baby), und passend zum falschen Abbiegen: bei der neunten Etappe der Tour de France 2003 von Le Bourg-d‘Oisans nach Gap ist Lance Armstrong noch glimpflich davon gekommen – mal sehen, wie es dieses Mal ausgeht… […]