Vor diesem Thema hatte ich mich immer etwas geziert, nicht nur dass der Männerradsport kompliziert und umfangreich genug ist, hat der Frauenradsport neben den üblichen Klischees auch mit umfangreichen Sponsorenproblemen zu kämpfen. Ständig wechseln die Fahrerinnen die Teams oder die Teams die Namen, was die Übersicht erschwert. Frauenradsport wird, ausserhalb der Weltmeisterschaften und der Olympischen Spiele, grundsätzlich nicht im Fernsehen übertragen, die Siegesprämien sind nicht der Rede wert und die UCI tut leider wenig, um dem Frauenradsport seine Aussenseiterrolle zu nehmen.

Das olympische Straßenrennen in London 2012 – Foto: Chris Barber CC-BY 2.0
Dabei bietet der Frauenradsport viel mehr: den Sportlerinnen geht es dabei offensichtlich nicht ums Geld – Tagesprämien um die 150€ für das Tragen eines Leadertrikots bei einer großen Rundfahrt sind nicht ungewöhnlich (bei den Männern bekommt der Träger des Gelben Trikots bei der Tour de France 27.500€ pro Tag), sie fahren mit Leidenschaft auf sehr hohem Niveau, zudem sind die Rennen spannender und vor allem aggressiver – es wird mehr attackiert, auch weil es bei kleineren Teams und kürzeren Strecken schwieriger ist ganze Rennen zu kontrollieren.
Die Teams & Rennen
Die Strukturen und Rankings unterscheiden sich teilweise sehr von denen im Männerradsport, hier versuchen wir ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen:
Während es bei den Männern die Unterteilung in drei UCI Ligen gibt (ProTeam, Professional Continental & Continental Team), gibt es im Frauenradsport nur ein Gesamtranking mit 35 Teams und insgesamt 440 Fahrerinnen. Die Liste wird derzeit angeführt vom Stichting Rabo Women Cycling Team, dem weiblichen Pendant zum Rabobank Männerteam, dicht gefolgt vom deutschen Team Specialized-Lululemon, dem Nachfolgeteam der Frauen von HTC-Highroad. Das Ranking basiert aus den gesammelten Punkten der vier besten Fahrerinnen eines Teams. Die Niederländerin Marianne Vos, ehemalige Cross-Weltmeisterin, Olympiasiegerin im Omnium und in diesem Jahr Olympiasiegerin auf der Straße, ist mit ihren 25 Jahren derzeit fast unschlagbar. Im UCI Ranking folgt ihr Judith Arndt, achtfache deutsche Meisterin und aktuelle Trägerin des Zeitfahrweltmeisterinnentrikots.
Bei der Einteilung der Rennen wird es allerdings etwas komplizierter:
- World Cup Events umfassen acht Eintagesrennen wie z.B. die Flèche Wallonne Féminine und die Ronde van Vlaanderen, dann gibt es noch
- Eintagesrennen der Kategorie 1.1. und 1.2., wie z.B. das Omloop Het Niewsblad sowie
- Etappenrennen mit den Kategorien 2.1. und 2.2., wie z.B. die Giro Donne, die Giro d’Italia der Frauen. Im UCI Kalender befinden sich ausserdem die
- Kontinentalmeisterschaftenten wie die von Ozeanien & Panamerika, die
- Weltmeisterschaften und die
- olympischen Wettberwerbe, letztere natürlich nur alle vier Jahre.
Hier der komplette Frauenrennkalender der UCI. Der UCI World Cup der Männer wurde übrigens im Jahr 2004 zu UCI WorldTour umbenannt und umfangreich umstrukturiert, sie beinhaltet nun seitdem neben Eintagesrennen auch die wichtigsten Rundfahrten. Bei den Frauen ist alles beim Alten geblieben.
Wie bei den Männern die WorldTour, gibt es auch bei den Frauen für eine bestimmte Anzahl an Teams Anwesenheitspflicht bei diesen Rennen. Bei World Cup Events werden die Top 15 eingeladen, plus den fünf am höchsten eingestuften Teams im Ranking der besten Nationen. Bei Rennen der ersten Kategorie werden die Top 10 eingeladen und die fünf besten Teams im Nationenraking. Ein Team muss mit mindestens vier Fahrerinnen antreten.
Die Eintagesrennen der Frauen dürfen übrigens nicht mehr als 120km Strecke umfassen, bei den Männern sind es 50 Kilometer mehr. Eine Etappe in einem mehrtägigen Rennen darf dabei nicht länger als 150km lang sein, Etappenrennen der Männer sind auf zwei Etappen mit dem Maximum an 240km länge begrenzt. Die Giro Donne umfasst neun Renntage, während die Männer die Giro d’Italia über 19 Tage bestreiten.
Die Probleme des Frauenradsports

Emilia Fahlin beim Nature Valley GP 2012 – Foto: Roxanne King CC-BY 2.0
Die typischen Probleme der Frauenteams und Fahrerinnen bekommt man oft nur am Rande mit, oft dreht es sich leider immer um die selben Themen: Geld- und Sponsorenmangel. Noch vor kurzem beschwerte sich Emma Pooley, Silbermedalliengewinnerin in Beijing, über die großen Unsicherheiten die jedes Mal entstehen, wenn ein Sponsorenvertrag ausläuft. Der Hauptsponsor ihres Teams, AA Drink-Leontien.nl, beendet zum Ende dieser Saison deren Arbeit im Frauenradsport. Da keine neuen Sponsoren in Aussicht sind, sieht es für die Mehrzahl der bis zu 20 Frauen in einem Team schlecht aus, wenn es darum geht auf die „wichtigen“ Top 15 der Liga unterzukommen. Meistens beschränkt sich dieses Problem nicht nur auf ein Team. Pooley dazu:
,,Ich weiss dass die Männer diese Probleme auch haben und sich über zu wenig Geld beschweren, aber sie haben keine Ahnung wie es ist einen totalen Mangel an Teams zu erleben.“
Noch im letzten November entschied sich Garmin-Cervélo dazu sein Frauenteam nicht weiter zu unterstützen, was viele Fahrerinnen verbittert zurückliess. Laut Emma Pooley war Garmin, im Gegensatz zum vorherigen Hauptsponsor Cervélo, nicht am Frauenradsport interessiert.
Auch der UCI Rennkalender schrumpft weiter. In dieser Saison steht der GP Valladolid in Spanien nicht mehr auf dem World Cup Rennkalender. Schon seit 2009 wird die Grande Boucle Féminine, die Tour de France der Frauen nicht mehr ausgetragen, beide Veranstaltungen scheiterten aus Geldmangel.
Ein weiteres Problem: es gibt kein Mindestlohn für Fahrerinnen. In männlichen Teams startet ein Anfänger mit einem Jahreseinstiegsgehalt von 26.700€ ohne Boni, dies ist von der UCI als Mindestsatz vorgeschrieben. Nur sehr wenige der 440 registrierten Elite Fahrerinnen können von dem Job ihren Lebensunterhalt verdienen.
Durch den Sieg von Bradley Wiggins erlebt Großbritannien gerade einen Radsportboom, von denen die Frauen aber leider nichts mitbekommen. Team Sky ist, auch wenn es keine offziellen Zahlen gibt, mit das Team mit dem höchsten Budget in diesem Sport, jedoch lässt British Cycling und die Sponsoren kein nachhaltiges Konzept für die Entwicklung des Radsports erkennen, als sei alles auf London 2012 ausgelegt gewesen. Großbritannien hat mit seinem beeindruckenden Frauen-Lineup auf der Bahn und dem vielen Geld, was durch die Olympischen Spiele von Staatsseiten in die Kasse des British Cycling floss, keine Argument mehr dagegen, endlich ein wettbewerbsfähiges Frauenradsportteam zu gründen. Es gibt vielleicht nun auch die Möglichkeit durch den Boom neue Sponsoren anzulocken, welche Lizzie Armistead, Emma Pooley und Lucy Garner die Gelegenheit eröffnen, langfristig für ein Team zu fahren.
Zum Weiterlesen:
Interessanter und kritischer Blog & Podcast über den aktuellen Stand des Frauenradsports
Hinterlassen Sie den ersten Kommentar