Vor allem in England wurde im Laufe des letzten Jahres heiß über den eventuellen Start von David Millar beim Straßenrennen der Olympischen Spiele 2012 in London diskutiert. Dieses Thema hat Brisanz, da David Millar bereits eine 2-Jährige Dopingsperre aussitzen musste und ihm dazu ursprünglich, aufgrund einer 20 Jahre alten Regelung des Olympischen Komitees, ein lebenslanges Startverbot bei den Olympischen Spielen auferlegt wurde. Diese Regelung wurde im Oktober 2011 vom internationalen Sportgerichthof in Lausanne für nichtig erklärt.

Team GB bei den Weltmeisterschaften 2011 in Kopenhagen. Foto: jenscrer Flickr CC BY-NC 2.0
David Millar wurde auf der Grundlage von Aussagen seiner damaligen Teamkollegen beim Team Cofidis und einer Hausdurchsuchung, bei der zwei leere EPO Ampullen gefunden wurden, verurteilt und verbüßte seine Sperre in den Jahren 2004 und 2005, bevor er im Team Saunier Duval und später als Fahrer und Teilhaber von Team Garmin-Slipstream (mittlerweile Garmin-Sharp) seine Karriere als geläuterter Ex-Doper wieder aufnahm.

Foto: bishib70 Flickr CC BY-NC-ND 2.0
Millar ist seitdem bekannt als lauter Gegner der Omerta, des Schweigegelübdes, welches sich viele Teams, auch nach positiven Tests seiner Fahrer, unterziehen und erwähnt bei jeder Gelegenheit seinen (und den seines Teams) Kampf für einen sauberen Sport mit „absoluter Offenheit gegenüber jedem, der fragt“, sowie einer strikten no-needle policy – keine Nadeln, auch nicht in den Erholungsphasen des Trainings für legale Mineral- oder Vitaminpräparate, um die weit verbreitete Nutzung von „Hilfsmitteln“ durch die Spritze, an die schon junge Fahrer gewöhnt werden, zu unterbinden. Er selbst hat vor Gericht die Personen genannt, mit welchen er damals zusammenarbeitete und mit denen er ausserhalb der Saison Dopingkuren durchführte; er erwähnt diese jedoch nicht in seiner im letzten Jahr erschienenen Biografie.
Nachdem das internationale Sportgerichtshof CAS im letzten Oktober die lebenslange Sperre überführter Athleten für nichtig erklärte und eine Überarbeitung der IOC Statuten anstrebt, sperrte sich zunächst der Britische Olympische Verband (BOA) dagegen. Der Fall wurde am 1. Mai diesen Jahres zum Nachteil der BOA entschieden, welche ihrer Fahrer nun, sofern sie von ihren Sportverbänden nominiert werden, für die Olympischen Spiele 2012 freigeben muss. Die Frage, ob der britische Radsportverband bereits verurteilte Doper an „ihren“ Olympischen Spielen teilnehmen lässt, wurde auch unter den britischen Athleten diskutiert. Straßenradweltmeister Mark Cavendish sprach sich offen für seine Nominierung aus; Bradley Wiggins, zweifacher Olympiasieger auf der Bahn und Anwärter auf die Goldmedaille im Einzelzeitfahren, argumentierte hingegen aus sportlichen Gesichtspunkten einerseits für Millar, um ihn im selben Satz aus einer moralischen Sichtweise anzugreifen:
„Im Hinblick auf seine Leistungen wäre es fantastisch für Cav, David im Team zu haben – auch weil es den Druck von meinen Schultern nimmt, damit ich mich auf das Zeitfahren konzentrieren kann. Aus einem egoistischen Standpunkt heraus wäre es großartig Dave an der Startlinie zu sehen, aber aus moralischer Sicht dürfte er nie wieder an den Olympischen Spielen teilnehmen.“
Millar verlor durch die Doping-Enthüllung bereits für die Olympischen Spiele im Jahr 2004 seinen eventuellen Startplatz auf der Bahn, nachdem er im Jahr 2000 bereits am Straßenrennen teilnahm und hatte sich nach eigener Aussage schon damit abgefunden, nie wieder einer Olympiade starten zu dürfen. In der aktuellen Debatte änderte er nun nach langer Überlegung seine Meinung, obwohl er im März noch betont hatte, nicht als „Schwarzes Schaf“ in London an den Start gehen zu wollen:
„Sich mit den Medien auseinanderzusetzen, die Vergangenheit auf zu wühlen und mich rechtfertigen zu müssen: es wäre einfacher gewesen zu sagen, dass ich nicht gehe – dann hätte ich mit meinem erbrachten Opfer sicher eine positive Reaktion bekommen. Aber ich hätte es am meisten bereut, den einfachen Weg zu wählen, mir Urlaub zu nehmen, das Straßenrennen und das britische Team im Fernsehen anzusehen und zu sehen, was für eine dumme, egoistische Entscheidung ich getroffen habe.“
Am 13. Juni wurde David Millar offiziell von British Cycling für das Straßenrennen in London nominiert. Er ist nun einer von acht Fahrern, welcher Mark Cavendish zu einer Goldmedaille verhelfen könnte. Die Liste wird noch auf fünf Fahrer verkürzt, jedoch stehen Millar’s Chancen gut – er war auch Teil des perfekt eingespielten britischen Teams bei den Straßenweltmeisterschaften in Kopenhagen, wo sich Mark Cavendish im letzten September seinen Titel und die Weltmeisterschaftsstreifen holte.
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